Tipp Nr. 35
Nichts tun
Versuche einmal, Dir ganz bewusst zu machen, wie viele Hilfen Du manchmal gleichzeitig gibst. Da sind die Gewichtshilfen, die Schenkelhilfen und die Zügelhilfen. Dann kommt noch die Stimme dazu. Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir gelernt haben, dass wir ständig etwas tun müssen, um etwas zu gelten.
Pferde sind zwar multitask, aber eben nur, weil es um ihr Überleben geht. Sie müssen alles mitkriegen und tun es auch. Jede kleinste Bewegung, jede Regung, jeder Fingerzeig, jedes Geräusch wird sofort wahrgenommen. Von Pferd zu Pferd hat alles eine Bedeutung. Von Mensch zu Pferd wird es aber für die Pferde manchmal schwierig zu unterscheiden, welches Kommando nun tatsächlich eine Bedeutung hat und welches nicht.
Also müssen wir üben, uns in Gegenwart von Pferden ruhig, klar und vorhersehbar zu bewegen. Das gleiche gilt natürlich auch, wenn wir reiten.
Wenn Deine Schenkel permanent unkontrolliert ans Pferd kommen, lernt Dein Pferd, dass der Schenkel keine Bedeutung hat. Also nicht wundern, wenn Dein Pferd darauf nicht mehr reagiert. Beobachte genau, was Deine Beine gerade machen. Spüre hin. Versuch mal mit den Unterschenkeln gar nicht ans Pferd dran zu kommen.
Was machen Deine Hände? Ist die innere Hand ständig damit beschäftigt, dem Pferd eine Innenstellung abzuringen und zubbelt damit die ganze Zeit taktmäßig am inneren Zügel? Ist Dein Oberkörper ausbalanciert oder kippst Du nach vorne oder hinten, rechts oder links? Alles ist Information für das Pferd. Erwarte nicht von Deinem Pferd, dass es im Laufe Eures Zusammenseins lernt, zwischen „Ist Information“ und „Ist keine Information“ zu unterscheiden, sondern versuche, ein solches Körperbewusstsein zu erlangen, dass möglichst nur noch Ist-Informationen beim Pferd ankommen.
Dafür kannst Du Dich im Nichtstun auf dem Pferd üben. Einfach mal ein paar Runden wirklich nichts zu tun. Das heißt aber nicht, dass Du keine Körperspannung mehr haben sollst und Dich hängen lässt. Auch sollst Du nicht die Zügel wegschmeißen. Richte Dich auf, halte die Zügel in der Halslänge vom Pferd in einer leichten Verbindung und beobachte Dich. Jeden Fuß, jede Wade, jeden Finger, die Schultern, einfach alles wahrnehmen und nichts sonst dabei machen. Denn erst aus dem Nichtstun kannst Du eine Hilfe geben, die das Pferd als solche versteht. Einzeln, dosiert, im richtigen Moment. Du wirst feststellen, dass Dein Pferd Dich jetzt viel besser versteht und schneller reagiert, wenn eine Hilfe kommt.
Viel Spaß beim Nichtstun!